Syriens Propaganda. Wie Assad die US-Medien benutzte – par Marc Pitzke

Article  •  Publié sur Souria Houria le 16 juin 2012

Das syrische Regime hat die US-Medien lange mit Glanz, Glamour und Exklusivität geblendet. Eine PR-Agentur schuf Connections, Top-Fotografen sorgten fürs rechte Bild. Selbst Talk-Star Barbara Walters ging der Propaganda auf den Leim – und muss sich nun entschuldigen.

Barbara Walters war ganz angetan. Baschar Hafis al-Assad sei gar kein so « verrückter Mann », gurrte die Talk-Queen des US-Networks ABC nach ihrem exklusiven Tête-à-tête mit dem syrischen Präsidenten im Dezember. Im Gegenteil: Assad sei ja nur « ein versehentlicher Diktator » und « ein freundlicher Augenarzt ».

Kein Wunder, dass das Gespräch der beiden handzahm verlief. Zwar pries ABC das erste und bisher einzige US-Interview Assads seit Beginn des Aufstands als knallharten Journalismus an. Doch Amerikas TV-Beichtmutter behandelte den Diktator watteweich.

 

« Finden Sie, dass Ihre Truppen zu hart durchgegriffen haben? », flötete Walters, als sei ein weniger hartes Durchgreifen akzeptabler. « Das sind nicht meine Truppen », gab Assad aalglatt zurück. « Sie gehören der Regierung. »

Das Interview war keine journalistische Sternstunde. Was derzeit aber noch mehr für Empörung sorgt, ist eine dreistere Facette dieses Kotaus, die erst jetzt bekannt wurde: Die 82-jährige Walters revanchierte sich für den « Scoop », indem sie sich für eine Vertraute Assads einsetzte, um ihr einen Studienplatz an einer amerikanischen Elite-Uni zu verschaffen.

Nach dem Assad-Interview antichambrierte Barbara Walters bei CNN-Bekannten und der Columbia University für Sheherazad Dschafari, eine Pressereferentin Assads. Die 22-jährige Tochter des syrischen Uno-Botschafters Baschar Dschafari – mit dem Walters auch privat bekannt ist – hatte das Interview eingefädelt: « Die amerikanische Psyche lässt sich leicht manipulieren », prahlte sie zuvor in einer E-Mail an eine Kollegin.

Assad heuerte Profis für seine Imagepflege an

Walters lobte Dschafari anschließend per E-Mail an einen Professor der Columbia University, dessen Sohn für CNN-Talker Piers Morgan arbeitet: « Sie ist brillant, wunderschön, spricht fünf Sprachen. » Sie empfehle Dschafari als CNN-Praktikantin und Studentin für die renommierte School of International and Public Affairs der Elite-Uni.

Der CNN-Vorstoß verpuffte, die Columbia University dagegen nahm Dschafari jetzt zum Herbstsemester auf. « Im Nachhinein sehe ich ein, dass dies einen Konflikt verursachte, und ich bedauere das », entschuldigte sich Walters.

Die Episode, die den Ruf der Ikone Walters schwer ankratzt, offenbart noch mehr. Walters ist nur das jüngste Beispiel, wie das Assad-Regime die US-Medien jahrelang mit Glanz, Glamour und Exklusivität zu blenden versuchte – und wie die sich oft willig blenden ließen oder zumindest die Realitäten falsch einschätzten. Kaum einer schien immun, von ABC über « Vogue » bis zur « Huffington Post« .

Der Mini-Skandal um Walters ist nur die Spitze des Eisbergs. Assad verließ sich nicht nur auf private Connections, sondern auch auf Profis, um sein US-Image zu steuern. Allen voran Brown Lloyd James (BLJ), eine US-britische PR-Agentur, bei der Dschafari ein Praktikum absolviert hatte. Ihr damaliger Chef, BLJ-Präsident Mike Holtzman, arbeitete zuvor unter den Präsidenten Bill Clinton und George W. Bush in Washington.

BLJ rühmt sich seiner VIP-Klienten: IBM, der TV-Sender al-Dschasira, die Regierungen Katars und Chinas, Musical-König Andrew Lloyd Webber. Weniger offen ging die Agentur mit ihrer Arbeit für den libyschen Machthaber Muammar al-Gaddafi um.

Assad heuerte BLJ im November 2010 an, zwei Monate vor den ersten Unruhen. « Wir freuen uns auf eine dauerhafte und gegenseitig förderliche Beziehung », schrieb BLJ in dem Vertrag, wie das US-Kongressmagazin « The Hill » später enthüllte. Das Ergebnis war eine ehrfürchtige Reportage über Syriens First Lady Asma al-Assad, bestens platziert in der US-Ausgabe des Modemagazins « Vogue ».

Die Geschichte (« Eine Rose in der Wüste ») erschien im Februar 2011, also kurz nach Beginn des Aufstands, veredelt mit Assad-Familienbildern aus der Hand des legendären Kriegsfotografen James Nachtwey. Mrs. Assad sei « glamourös, jung und sehr schick », hieß es darin: « Eine schlanke, langbeinige Schönheit mit einem geschliffenen, analytischen Verstand. »

Doch die Aktualität überholte die Propaganda. In Syrien starben längst die Menschen, darunter auch Journalisten, die sich um die Wahrheit bemühten. Der peinliche Artikel verschwand wieder von der Website und aus dem Archiv der « Vogue ». Man habe gehofft, dass sich das Assad-Regime « einer progressiveren Gesellschaft öffnen » würde, erläuterte « Vogue »-Chefin Anna Wintour den Sinneswandel. Stattdessen habe sich herausgestellt, dass Assads « Werte völlig im Gegensatz zu denen der ‘Vogue’ stehen ».

BLJ versicherte ebenfalls schnell, es habe seine Dienste im Namen Assads schon im Dezember 2010 wieder beendet, nach Fertigstellung des « Vogue »-Auftrags – und vor dem Blutvergießen. Wie Wintour rechtfertigte sich BLJ blumig mit zerplatzten Hoffnungen: « Während unserer Aktivitäten herrschte gerade Tauwetter in den Beziehungen mit den USA », erklärte die Agentur. « Unser Ansatz sollte eine breitere Basis für den guten Willen schaffen. »

« Syriens First Lady und natürliche Schönheit »

Doch auch später blieb BLJ dran. « Dieser Mann wird von seinem Volk geliebt », schrieb Botschaftertochter Dschafari, für die sich Barbara Walters eingesetzt hatte, noch im Januar dieses Jahres über Assad – in einer E-Mail an BLJ-Präsident Holtzman, die der Londoner « Guardian » im März aufdeckte. Holtzmans Antwort: « Ich bin stolz auf dich. »

Die Assad-Lobhudelei beschränkte sich nicht auf BLJ und dessen Projekte. Auch die politisch so progressive US-Website « Huffington Post » veröffentlichte im Juni 2010 unter dem Titel « Asma al-Assad: Syriens First Lady und natürliche Schönheit » eine Glamour-Fotogalerie, die noch im März dieses Jahres aktualisiert wurde und auch weiter online ist. Bloggerin Nour Akkad, eine gebürtige Syrerin, erklärt sich darin zum Fan des Assad-Stils: « Uns fiel ihre Liebe auf zu Christian-Louboutin-Schuhen, Sonnenbrillen und ihr typisch gewelltes Haar. »

 

Am vergangenen Montag echauffierte sich die « New York Times » über die « Hochglanz-PR » der anderen für die Assads. Um den angeblichen Sex-Appeal des Präsidentenpaars zu erklären, bemühte die Zeitung ein Zitat Andrew Tablers, eines Syrien-Experten am Washington Institute for Near East Policy: « Er spricht Englisch, und seine Frau ist scharf. »

Doch auch die « New York Times » war nicht immer so eindeutig in ihrer Ablehnung der Assads. Im August 2010 hatte sie das Regime, wenn auch mit klaren Vorbehalten, gelobt: für seine Mini-Reformen und « neue Umarmung der Zivilgesellschaft ».

Source : http://www.spiegel.de/politik/ausland/syrien-assad-liess-image-in-medien-in-usa-mit-pr-agentur-aufpolieren-a-838356.html