Wer redet, der stirbt – Von Ulrike Putz

Article  •  Publié sur Souria Houria le 25 avril 2012

(Celui qui parle, il meurt)
25 April 2012
Uno-Beobachter in Homs: "Sie haben den Tod mit sich gebracht."

REUTERS Uno-Beobachter in Homs: « Sie haben den Tod mit sich gebracht. »Die syrische Bevölkerung zahlt offenbar einen hohen Preis für die Anwesenheit der Uno-Blauhelme. Das Assad-Regime attackiert von den Beobachtern besuchte Stadtteile mit gezielten Angriffen. Niemand soll es anscheinend wagen, mit den ausländischen Besuchern zu reden.

Die Blauhelme waren kaum weg, da fielen die Bomben: « Nachdem die Beobachter abgefahren waren, hat die Armee die Gegend rund um die Alamain- und Mazarib-Straße gestürmt », berichtet Abu al-Huda al-Hamwi von dem, was am Montag in seiner Heimatstadt Hama im Norden Syriens geschah. « Der Angriff begann mit einem Beschuss, der die Leute mitten auf der Straße überraschte. Die Leichen lagen über Stunden herum », sagte das Mitglied des lokalen Revolutionskomitees SPIEGEL ONLINE. Später sollen Soldaten Menschen aus ihren Häusern geholt und erschossen haben. Auch Gebäude seien in Brand gesteckt worden.

Als die Beobachtertruppe der Uno sich einen Tag zuvor mehrere Stunden in der für ihre antiken Wasserschöpfräder bekannten Stadt aufhielt, war es ruhig geblieben. Die Bürger in der Oppositionshochburg demonstrierten im Beisein der Blauhelme gegen das Regime Baschar al-Assads, einige Mutige sprachen sogar mit den Emissären der Vereinten Nationen. Die Quittung gab es prompt: « Das Regime wollte die Menschen dafür bestrafen, dass sie eine Botschaft an die internationalen Beobachter gesandt haben », sagt Aktivist Hamwi. Die Angaben, wie viele Menschen durch den Rachefeldzug umkamen, schwanken zwischen 28 und 50.

 

Revolutionär Hamwi ist sich sicher, dass der Angriff in Hama Teil einer Vergeltungsmaßnahme ist: Auch im Dorf Katab, etwas außerhalb von Hama auf dem Land gelegen, habe es eine ähnliche Attacke gegeben. « Nachdem die Beobachter dort abgezogen waren, stürmten staatlich gesteuerte Schlägertruppen das Dorf. Sie haben 100 Menschen verhaftet und zwei getötet. Außerdem haben sie die Häuser von Zivilisten geplündert. »

Glaubt man syrischen Aktivisten, zahlt die aufständische Bevölkerung nur zehn Tage nach Beginn der Beobachter-Mission der Vereinten Nation in Syrien einen hohen Preis für die Anwesenheit internationaler Experten. « Die Uno-Aufseher haben den Tod mit sich gebracht », sagte Manhal, ein anderer Aktivist aus Hama, dem Nachrichtensender al-Dschasira.

Ausländische Journalisten dürfen kaum ins Land

Aus Damaskus meldeten Rebellen am Mittwoch, dass der seit längerem umkämpfte Damaszener Vorort Duma unter schweres Feuer genommen worden sei. Dies sei vermutlich eine Strafmaßnahme für die große Anti-Assad-Demonstration, mit der die dortige Bevölkerung die Blauhelme bei ihrer Visite am Montag empfangen habe.

Überprüfbar sind solche Berichte nicht: Nach wie vor lässt das syrische Regime kaum ausländische Journalisten ins Land. Westliche Regierungen und die Uno nehmen die Vorwürfe jedoch durchaus ernst – vielleicht, weil sie von Kenntnissen der eigenen Geheimdienste gestützt werden.

So hatte der internationale Syrien-Sondergesandte Kofi Annan am Dienstag dem Uno-Sicherheitsrat vom Fortgang der unter seiner Schirmherrschaft operierenden Beobachter-Mission unterrichtet. Dabei soll der ehemalige Uno-Generalsekretär laut Redetext davon berichtet haben, dass syrische Sicherheitskräfte Menschen, die Kontakt zu Uno-Beobachtern gehabt hätten, offenbar massiv unter Druck setzen. In Hama seien Menschen getötet worden, nachdem die Beobachter die Stadt verlassen hätten. « Sollte dies bestätigt werden, wäre das völlig inakzeptabel und verwerflich », sagte Annan demnach.

Annan fordert die Stationierung von 300 Beobachtern

Die Botschafterin der USA bei den Vereinten Nationen, Susan Rice, twitterte live aus der Sitzung des Sicherheitsrats. « Dass das syrische Regime die angreift, die mit den Uno-Beobachtern sprechen, ist unerhört, aber nicht unerwartet », schrieb Rice in einer Kurzmitteilung.

Die Uno versucht die mutmaßlichen Pläne, Syriens Bürger für den Kontakt mit den Blauhelmen zu bestrafen, zu durchkreuzen. Sie bemühen sich, zumindest an den Brennpunkten ständig präsent zu sein. Derzeit sind elf Vertreter der Vereinten Nationen in Syrien. Zwei davon sind dauerhaft in der Oppositionshochburg Homs stationiert, nun sollen zwei weitere in Hama die Stellung halten und durch ihre bloße Anwesenheit die Bevölkerung vor Repressalien schützen.

 

Das syrische Regime beeindruckt das offenbar nicht: Am Mittwochabend feuerten die Regierungstruppen mehrere Raketen auf Hama, meldete die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf Oppositionelle. Bei dem Angriff sollen etwa ein Dutzend Menschen getötet und 30 weitere verletzt worden sein.

Bei der Sitzung hinter geschlossenen Türen forderte Annan eine schnelle Stationierung der vom Sicherheitsrat beschlossenen 300 Beobachter. Diese sollen den offiziell am 12. April in Kraft getretenen Waffenstillstand überwachen. Nach Angaben des Chefs der Friedenstruppen, Hervé Ladsous, könnte es noch einen Monat dauern, bis die ersten 100 Beobachter vor Ort seien. Seinen Angaben zufolge lehnte Damaskus bereits Vertreter aus Ländern ab, die zur Gruppe der Freunde Syriens gehören. Dies sind unter anderen die USA, Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Saudi-Arabien und Katar.

Source: http://www.spiegel.de/politik/ausland/0%2c1518%2c829757%2c00.html