Demonstrieren? Du träumst… – Bericht aus Latakia – von Aktivistin aus dem Untergrund
Bis jetzt haben wir von Adopt a Revolutioneinen Betrag von 2.100 € erhalten – unser Bedarf ist leider viel größer. Trotzdem versuchen sich die Mitglieder des Komitees so professionell wie möglich zu verhalten. Über den von allen Mitgliedern des Komitees gewählten Vorstand stimmen wir alle drei Monate neu ab. Die AktivistInnen können selbst entscheiden, in welchem Bereiche sie je nach Kompetenz aktiv werden möchten. Diese Bereiche nennen wir „Büros“ und es gibt das Kommunikationsbüro, das Hilfsbüro, das medizinische Büro und das Büro für Statistik. Außerdem ist eine große Gruppe von AktivistInnen auf der Straße in den Feldteams aktiv.
Das Komitee Latakia besteht insgesamt aus ca. 200 AktivistInnen. Fast ein Drittel davon ist online im Medienbereich tätig. Ihre Aufgabenfelder sind das Verbreiten von Fotos und Videos aus Latakia, die Kommunikation mit verschiedenen Medien sowie das Sorge Tragen für das Image des Komitees. Der Rest der AktivistInnen sind direkt auf der Straße aktiv. Sie organisieren die Demonstrationen, besorgen lebensnotwendige Bedarfsgüter für die Flüchtlinge und vieles mehr. Zahlreiche andere befinden sich zurzeit in den Gefängnissen des Regimes und das obwohl wir immer maximale Sicherheitsvorkehrungen treffen und extrem vorsichtig agieren. Einer unserer Aktivisten, Hasan Azhari, starb unter Folter nach einem Monat Haft.
Zu unserem Komitee gehören auch viele AktivistInnen im Ausland. Manche haben schon vor der Revolution dort gelebt, andere sind aber erst aus Syrien geflohen, weil sie von den Sicherheitskräften des Regimes verfolgt wurden. Ihre Namen waren aufgrund ihrer revolutionären Tätigkeit an allen Militärcheckpoints bekannt, sodass sie das Land schließlich verlassen mussten. Die AktivistInnen im Ausland spielen eine wichtige Rolle dabei, mit den internationalen Organisationen zu kommunizieren. Außerdem kommen sie mit Teilen ihrer privaten Gehälter für die Ausgaben unseres Komitees auf und unterstützen unsere Arbeit in Syrien damit maßgeblich.
Wegen der strengen Sicherheitkontrollen von Seiten des Regimes ist die Situation für die AktivistInnen sehr kompliziert. Die Sicherheitskräfte haben jeden im Verdacht, Teil der Revolution gegen das Regime zu sein. Das schränkt die Bewegungsfreiheit der AktivistInnen extrem ein – egal in welchem Bereich sie tätig sind, sie laufen ständig Gefahr, festgenommen zu werden, denn viele unserer AktivistInnen stehen bereits auf den Fahndungslisten des Regimes. Auch die konfessionelle Pluralität in Latakia trägt eher zu einer angespannten Stimmung in unserer Stadt bei. Zur Zeit wäre jedenfalls der Plan eine Demonstration zu organisieren nichts weiter als ein Tagtraum. Um die AktivistInnen so wenig wie möglich einer Gefahr auszusetzen, konzentrieren wir uns momentan auf Medien- und Hilfsarbeit sowie auf medizinische und juristische Tätigkeiten.
Im Bereich der Hilfsarbeit finden die meisten Aktivitäten innerhalb der Stadt statt. Über ein geheimes Netzwerk freiwilliger HelferInnen versuchen wir ca. 10.000 Familien zu unterstützen. So konstant wie möglich versorgen wir sie mit Nahrungsmitteln und kleineren Geldbeträgen. Die Mehrheit dieser Familien sind die Angehörigen Getöteter, Verhafteter und Vermisster sowie Flüchtlinge. Transparenz ist dabei ein Grundprinzip unserer Arbeit und ein hohes organisatorisches Niveau ist uns sehr wichtig. Deswegen haben wir auch unsere eigene Software für die verschiedenen Bereiche des Rechnungswesens entwickelt. Unser strenges System erlaubt es uns, die Aufwände klar nachvollziehen zu können, ebenso wie sowie die Familien und Individuen, denen diese Aufwände zu Gute kamen. Im medizinischen Bereich konzentrieren wir uns darauf Feldkrankenhäuser logistisch auszustatten und die Freiwilligen in medizinischen Grundlagen auszubilden.
ie Medien spielten und spielen bei den friedlichen Protestbewegungen in der Welt und besonders im arabischen Frühling ein große Rolle spielen. Dieser Tatsache sind wir uns bewusst, weswegen wir versuchen unsere Kommunikationsbüros mit dem neusten Equipment auzustatten. Dabei geht es besonders darum, Kommunikationsunterbrechungen durch den Ausfall des Internets zu vermeiden. Durch unser Kommunikationsbüro und dank eines geheimen Netzwerks von AktivistInnen inner- und außerhalb der Stadt werden Nachrichten erhalten wir Nachrichten aus erster Hand – damit ist unser Komitee eine der wichtigsten Informationsquellen im Bezug auf Nachrichten aus Latakia und der befreiten Umgebung.
source : https://www.adoptrevolution.org/bericht-aus-latakia-2/
date : 01/01/2012