Diktator Assad lässt sich als Wohltäter feiern – Von Ulrike Putz
(Le dictateur Assad se laisse fêter comme bienfaiteur)
19.04.2012
Syriens Machthaber Assad spielt heile Welt: Das Staatsfernsehen zeigt, wie der Despot mit Gattin Asma in Jeans und T-Shirt lachend Care-Pakete packt – doch nur wenige Kilometer entfernt fallen erneut Schüsse. Scharfschützen haben offenbar auf eine Menge gefeuert, die Uno-Beobachtern zujubelte.
Nur wenige Kilometer voneinander entfernt spielten sich in Damaskus zwei Szenen ab, die unterschiedlicher kaum sein können. Und gerade deswegen illustrieren sie, wie zerrissen Syrien inzwischen ist.
Da war einerseits der Zwischenfall im Damaszener Vorort Arbin: Das Vorauskommando der Uno-Beobachtertruppe wollte am Mittwoch in dem immer wieder von Unruhen erschütterten Viertel laut Mandat prüfen, ob die syrischen Konfliktparteien die Bedingungen des Friedensplans der Uno und der Arabischen Liga erfüllen.
Im Internet veröffentlichte Amateurvideos scheinen Bilder des Ortstermins zu zeigen: Zu sehen ist, wie ein weißer Uno-Jeep sich den Weg durch eine jubelnde Menge bahnt. Menschen schwenken Fahnen und Banner. « Der Mörder mordet, die Beobachter beobachten, und das Volk macht seine Revolution », ist auf einem Schild zu lesen. Dann fallen Schüsse, die Menge hastet auseinander: Offenbar haben Scharfschützen der Regierungstruppen das Feuer auf die Demonstranten eröffnet.
Aktivistengruppen prangerten den Vorfall später als klaren Bruch der vereinbarten Waffenruhe an – ein Vorwurf, wie man ihn schon viele Male gehört hat. Normalerweise würde er als nicht überprüfbar eingestuft. Doch in Fall Arbin wurde der Bericht der Oppositionellen diesmal von der Uno bestätigt, zumindest in Teilen. In allen drei besuchten Stadtbezirken hätten die Uno-Experten unter Führung des marokkanischen Oberst Ahmed Himmiche Checkpoints und syrisches Militär gesichtet, sagte Uno-Generalsekretär Ban Ki Moon. Der Rückzug der Armee aus den Städten jedoch stellt eine der Kernforderungen des Friedensplans Kofi Annans dar, den einzuhalten sich die syrische Regierung verpflichtet hat.
In Arbin hätten die Beobachter zudem ein schlecht getarntes Panzerfahrzeug entdeckt, so Ban. Später hätten die versammelten Regimegegner die Uno-Männer zu einem weiteren Armee-Checkpoint führen wollen. Daraufhin sei « die Menschenmenge durch Schüsse auseinandergetrieben worden », so Ban. Die Uno-Beobachter hätten nicht feststellen können, wer geschossen habe. Doch auch wenn die Blauhelme die Schützen nicht ausmachen konnten: Der Vorfall von Arbin ist dank ihrer Anwesenheit auch nicht wegzureden.
Küsse und Umarmungen für den Präsidenten
Während im Vorort Demonstranten unter Beschuss kamen, wurde andernorts in Damaskus heile Welt inszeniert. Das Präsidentenpaar, Baschar al-Assad und seine britisch-syrische Frau Asma, fanden sich in Jeans und T-Shirt in einem der Sportstadien der Zwei-Millionen-Stadt ein. Begleitet von den Kameras des syrischen Staatsfernsehens mischten sie sich unter dort versammelte Freiwillige und halfen, Hilfspakete von den unter « Terroristenattacken » leidenden Einwohnern von Homs zu packen.
Seit sich nicht mehr leugnen lässt, dass das Land in einem blutigen Machtkampf steckt, ist das die Sprachregelung der Regierung: Von ausländischen Mächten unterstützte Terroristen kämpften gegen die Regierung und das loyale Volk. Das klingt erst einmal absurd. Doch unabhängige Informanten in Damaskus warnen immer wieder davor, den Anteil derer, die Assad die Treue halten, zu unterschätzen. Vielen Syrern gelte der Präsident als einziges Bollwerk gegen das Chaos, das im Falle eines Sieges der Revolution drohen könnte.
Die Fernsehbilder des präsidialen Besuchs verdeutlichen einmal mehr, dass es im Land ebenso glühende Anhänger wie erklärte Gegner des Regimes gibt. Dutzende Syrer sind da zu sehen, die Assad umarmen und küssen. Anderswo schießen dessen Truppen gleichzeitig allem Anschein nach selbst im Beisein von ausländischen Zeugen auf ihre Landsleute. Die Kluft zwischen den Wirklichkeiten, die in Syrien nebeneinander existieren, reißt jeden Tag weiter auf.
Der Auftritt der Assads, die auf den Fernsehbildern lachen und scherzen, soll wohl auch Kritik am Luxusleben der Familie entkräften. Diese war laut geworden, nachdem Mitte März eine Reihe von E-Mails der Assads veröffentlicht worden waren. Darin war nachzuvollziehen, dass Asma Assad bei internationalen Designerketten für zigtausende Euro Möbel und Kleidung orderte, während ihr Land schon tief in der Krise steckte.
Regime und Rebellen halten sich nicht an die Waffenruhe
Am Mittwoch hatten die Ehefrauen der Uno-Botschafter aus Deutschland und Großbritannien auf das Image der Präsidentschaftsgattin als Luxusweibchen angespielt, als sie in einem im Internet veröffentlichen Film Bilder der elegant zurechtgemachten First Lady mit Aufnahmen der Opfer der syrischen Sicherheitskräfte gegenschnitten.
Doch das Töten geht weiter: Am Donnerstag meldeten Aktivisten, dass von der Opposition gehaltene Stadtviertel der Stadt Homs seit dem frühen Morgen unter Beschuss lägen. Sie riefen die Uno-Beobachter dringend auf, ihre bedrängte Stadt zu besuchen. Das jedoch scheint derzeit unmöglich. Die Uno teilte mit, dass die syrische Führung einen Antrag der Beobachter abgelehnt hatte, Homs zu besuchen. Zur Begründung seien Sicherheitsrisiken angeführt worden.
Über die Befugnisse der internationalen Beobachter herrschte am Donnerstag noch Unklarheit. Die Regierung in Damaskus hatte das entsprechende « Protokoll für die Zusammenarbeit Syriens mit den Vereinten Nationen und der Arabischen Liga » bis zum Nachmittag noch nicht unterzeichnet.
Auch die Freie Syrische Armee hält sich nicht mehr an die Waffenruhe. Am Mittwoch griff eine 80 Mann starke Einheit der Faruk-Brigade in Homs Checkpoints der Sicherheitskräfte und Posten der Armee an. Das bestätigte der Kommandeur der Einheit SPIEGEL ONLINE.
China erwägt, sich an der Beobachtermission zu beteiligen
Während in Syrien gekämpft wird, wurde in Paris darum gerungen, wie Assad doch noch dazu gebracht werden könnte, sich den Bedingungen des gemeinsamen Friedensplans der Uno und der Arabischen Liga zu unterwerfen. An dem Treffen der Syrien-Freundesgruppe nahm neben Bundesaußenminister Guido Westerwelle auch US-Außenministerin Hillary Clinton teil.
Unmittelbar vor Beginn der Konferenz hatte der französische Präsident Nicolas Sarkozyden Ton gegenüber Staatschef Assad noch einmal verschärft. « Baschar lügt auf schamlose Art und Weise, er will Homs ausradieren », sagte Sarkozy dem Radiosender Europe 1. Westerwelle hatte sich zuvor « enttäuscht und beunruhigt » über die anhaltende Gewalt in Syrien geäußert.
Russland hat der Freundesgruppe vorgeworfen, nicht an einer Lösung des Konflikts interessiert zu sein. « Das Treffen hat offenbar nicht zum Ziel, eine Basis für die Etablierung eines internationalen Dialogs zu finden, sondern eher das Gegenteil ist der Fall – den Konflikt zwischen der Opposition und der Regierung in Damaskus zu verschärfen, indem letztere international weiter isoliert wird », teilte das Außenministerium in Moskau mit.
China will sich an der möglichen Uno-Beobachtermission in Syrien beteiligen. « China denkt ernsthaft über diese Möglichkeit nach », sagte ein Außenministeriumssprecher. China und Russland sind die Fürsprecher des syrischen Regimes im Uno-Sicherheitsrat und haben scharfe Maßnahmen gegen Damaskus bislang blockiert.