Facetten meiner Heimat – Saadallah Wannus 1941-1997 – von Adept a Revolution
„Dass wir Vorstellungen haben, ist erlaubt, dass wir Illusionen haben, ist erlaubt, dass wir träumen, ist erlaubt, aber die Vorstellungen in die Realität umzusetzen… ist verboten. Die Illusionen in Aufruhr zu verwandeln …ist verboten, oder die Träume zu vereinen und in Taten umzusetzen…ist verboten“.
von Yassir Marzuq
Man hat in der vergangenen Wochen in Würde an den Todestag Saadallah Wannus erinnert, damit wir uns ausgiebig mit unserem arabischen Wissenschaftler beschäftigen, denn er war derjenige, der die syrische Theaterbühne mit Spannung, Leidenschaft und kontroversen Debatten füllte.
Saadallah Wannus, der seine Theaterarbeit voller Hoffnung auf Veränderungen und auf einen Wandel hin zu einer besseren Gesellschaft begann, verfiel nach der israelischen Besetzung zweier weitere arabischer Hauptstädte nach Jerusalem in eine Phase des Zweifelns, des Fragens und der Besorgnis. Getrieben von der Suche nach der Wahrheit und dem Richtigen, kehrte er anschließend zur Hoffnung zurück, an der seiner Meinung nach kein Weg vorbei führte. So steht in seinem Stück „Epos der Illusion“: „Az Zuraqa (eine Märchenfigur, die die Zukunft vorhersehen kann und deshalb von den ängstlichen Menschen getötet wird, A.d.R.) sagte, wenn ihr euch nicht mit ihrem Tod so beeilt hättet, hätte sie vielleicht, nachdem die lange Nacht zu Ende gegangen ist, im Fernen die leuchtende Sonne sehen können.“
Der junge Saadallah hat die Armut früh kennengelernt und stellte fest, dass es dafür Gründe gab. Er wurde zu einem Schriftsteller, der sich stets provokativ für einen Abriss der Regime-Paläste einsetzte, damit es nicht ein Ende vom Ende des „Der arme Verkäufer al-Dabs“ geben werde, einer Figur von Wannous’, die so lange auf das Königreich wartete bis er ein gelber Fleck auf der Straße wurde.
Die Werke von Saadallah Wannous’, deren Aufführung auf der Bühne von der Zensur verhindert wurde, geben einen Einblick in das, was in Syrien und in den restlichen arabischen Ländern passierte. Diese prophezeiten, dass die revolutionäre und nationale Bewegung, wie sie die arabische Welt kennt, heutzutage weit weg von der Ideologie ist und sich inmitten von tiefgründigen Fragen über die Natur von Herrschaft und das Streben zur Freiheit befindet.
Freiheit war ein Synonym für Wannous’ Ansicht: „Die Hoffnung lockt mich, denn wir kämpfen, damit wir ein neues Regime erfinden, nicht damit wir eines bewahren, wovon wir alle wissen, dass es zusammengebrochen und zerfallen ist.“ Währendessen stellte Israel in seinen Augen dessen größten Feind dar: „Das Gefühl, beerdigt zu werden, verstärkt sich mehr und mehr, weil – und ich befinde mich am Rand der schwingenden Grenze zwischen Leben und Tod – ich glaube, dass Israel – und ich sage das in einem wörtlichen Sinne und nicht metaphorisch – dass Israel mir die schönsten Jahre meines Lebens gestohlen hat, und dass es der älteren Generation (der um die 50-Jährigen) die Freude genommen und viele Möglichkeiten zerstört hat.“
Saadallah Wannus wurde 1941 im Dorf „Husain al-Bahr“ nahe Tartous geboren und erhielt dort seine Grundschulausbildung, wo er mit 12 Jahren das Buch seines Freundes Jibran Jilal Jibran „Eine Träne und ein Lächeln“ kennen lernte. Die Freundschaft zu dem Schriftsteller hielt bis zum letzten Augenblick.
Um sein Studium fortzuführen, zog Saadallah ins Gymnasium in Tartous. Nachdem er dort sein Abschlusszeugnis im Jahr 1959 erhalten hatte, reiste er nach Kairo, um dort eine Ausbildung im Bereich Journalismus abzuschließen. Der Aufenthalt in Ägypten führte dazu, dass sich Wannous mehr und mehr von seiner Generation distanzierte. In dieser Zeit schrieb er sein erstes Theaterstück „Niemals das Leben“, dessen Veröffentlichung sich lange verzögerte.
1963 erhielt er einen Preis für seine journalistische Arbeit und beendete eine Reihe langer kritischer Studien über den Roman „Die Langeweile“ von Alberto Moravia und veröffentlichte diese in der Zeitschrift „al-Adab“, was gleichzeitig mit der Veröffentlichung von „Medusa starrt das Leben an“ geschah. Danach kehrte er nach Damaskus zurück und erhielt eine Anstellung am Kulturministerium.
1964 war ein fruchtbares Jahr für Wannous, wo er neben zahlreichen Artikeln und kritischen Rezensionen, drei kurze Theaterstücke in libanesischen Zeitschriften und die „arabische Position“ in Damaskus veröffentlichte, zu dem „Der Aderlass“, „Der Tote auf dem Gehweg“ und „Die Tragödie des armen Verkäufer al-Dabs“ zählen.
1966 bekommt Wannus ein Stipendium vom Kulturminsterium für ein Theaterstudium in Paris. Dort trifft ihn die Nachricht der „Nakba“, woraufhin er die berühmten Stücke „Abendgala für den fünften Juni“ und „Wenn Männer spielen“ schrieb.
Am Ende des Jahres 1967 kehrte er nach Syrien zurück, um die Damaszener Theaterfestspiele umzusetzen. Das erste Stück, welches die Festspiele eröffnete, war „Der Elefant, der König aller Zeiten“, umgesetzt von Aladin Kukish, sowie die Inszenierung von Rafiq al-Sabaan von „Die Tragödie des armen Verkäufers al-Dabs“. Beide Stücke wurden in einer Aufführung während der Festspiele vorgeführt.
Im Jahr 1972 ging das „arabische Theater“ mit einer Abendveranstaltung mit Abu Khalil Qabaani und der Übersetzung des Buches „Über die Theatertraditionen“ von Jean Vilar sowie zahlreichen Übersetzungen u.a. von Brecht und Gogol einher. Im selben Jahr übernahm Wannous die Verwaltung des experimentellen Theaters im „Qabaani –Theater“. Im Jahr 1977 veröffentlicht er in Ergänzung an die Kulturrevolution das Stück „Der König ist der König“ , welches vom ägyptischen Regisseur Murad Mounir inszeniert und in Kairo aufgeführt wurde.
Obwohl das Leben Saadallah Wannous’ voller Bereicherungen war, mit Ausnahme der neunziger Jahre, in denen Wannous‘ Kampf gegen den Krebs begonnen hatte, war es allgemein die Zeit der Meisterstücke für das arabische und internationale Theater. Hierzu zählen: „Fragmente der Geschichte“, „Miserable Träume“ und „Rituale von Zeichen und Transformationen“.
Wannous sagte in einem seiner letzten Artikel: „Seit vier Jahren bekämpfe ich den Krebs, und das Schreiben und das Theater waren die wichtigsten Mittel in seiner Bekämpfung. In diesen vier Jahren schrieb ich angespannt zahlreiche Theaterstücke. Aber eines Tages fragte ich mich – und es gleicht einem Vorwurf – warum dieses Beharren auf dem Schreiben von Theaterstücken, in einer Zeit, in der das Theater versiegt und fast schon aus unserem Leben verschwindet? Und meine Antwort darauf war, dass ich das Schreiben von Theaterstücken aufgab. Ich stehe am Abgrund des Lebens und es sind die Leugnungen und der Verrat, die meine Seele nicht mehr erträgt, und vielleicht ist es das, was meine Seele vorantreibt…“
Saadallah Wannous starb 1997 an den Folgen von Krebs, der fünf Jahre lang andauerte und der ihn nicht dazu brachte, mit dem (allgemeinen) Schreiben aufzuhören. So erinnert sich seine Frau Fayezeh Shawish, dass er bis zu seinen letzten Tagen im Krankenhaus nicht mit dem Schreiben aufhörte. Monate vor seinem Abschied von der Welt, stand Wannous vor der Kamera von Omar Amiralay und erzählt in dem Film „Es gibt viele Dinge, über die man einmal sprechen könnte“ von seinem Leben und von seinem Leid, das er angesichts seiner unheilbaren Krankheit erfuhr.
aus dem Arabischen übersetzt von Katrin Benzenberg
Im Rahmen einer Kooperation mit der wöchentlichen Zeitung Souriatna veröffentlichen wir in unregelmäßigen Abständen Übersetzungen ausgewählter Artikel, um auch einen Einblick in Diskurse zu geben, die abseits der großen politischen Bühne geführt werden. Das arabische Original dieses Beitrags erschien in der Ausgabe von Souriatna vom 24. Mai. Vielen Dank an Souriatna für die Bereitstellung!
source : https://www.adoptrevolution.org/facetten-meiner-heimat-saadallah-wannus-1941-1997/
date : 24/08/2015