Feuerpause in Syrien: Diesem Frieden ist nicht zu trauen – von Ferdinand Dürr
Anlässlich des Ende des Fastenmonats Ramadan ruft sie syrische Armee in Syrien einseitig eine dreitägige Feuerpause aus. Doch während AktivistInnen in der Vergangenheit vor allem ein Ende der Angriffe des Regimes verlangt haben, bedeutet diese Feuerpause inzwischen längst nicht mehr, dass es eine Pause in der kriegerischen Auseinandersetzung gibt. Ein Kommentar.
Es scheint, als könnte dem Assad-Regime erneut ein Propagandatrick gelingen: Anlässlich der Feierlichkeiten zum Ende des Fastenmonats Ramadan rief die Armeeführung eine einseitige, dreitägige Feuerpause für ganz Syrien aus. Die Aktion soll den Eindruck vermitteln, dass der Regierung unter Bashar al-Assad daran gelegen sei, die islamischen Feiertage zu würdigen – und sich gleichzeitig als eine Kraft darzustellen, die Frieden herstellen wolle. Erst auf Nachfrage stellte sich heraus, dass die Feuerpause keineswegs landesweit gelten soll, sondern dass Terroristen davon ausgenommen sind. Und als „Terroristen“ bezeichnet das Regime seit Beginn der Revolution vor fünf Jahren alle Oppositionellen.
Was also wie eine einseitige Maßnahme klingt, um Vertrauen und Verständigung herzustellen, findet de facto also wahrscheinlich überhaupt nicht statt. Tatsächlich sind die heftigen Kämpfe rund um Aleppo ungemindert weitergegangen. Wollte die Armee eine tatsächliche Feuerpause, dann müsste sie erklären: Wo genau will sie ihre Angriffe einstellen? Bedeutet die Feuerpause, dass in den kommenden drei Tagen endlich einmal keine Fassbomben abgeworfen werden, wozu der UN-Sicherheitsrat das Assad-Regime seit 2014 aufruft (pdf)? Und wird die Belagerung von rund 50 Städten und Orten aufgehoben, in denen rund eine Millionen Menschen teilweise seit über drei Jahren von Strom- und Wasserversorgung, Lebensmitteln und Medikamenten abgeschnitten sind? All das hat die Armee nicht erklärt, weshalb an ihrer Ernsthaftigkeit gezweifelt werden muss.
Zudem ist die syrische Armee schon längst nicht mehr die einzige militärische Kraft auf der Seite des Assad-Regimes und auch andere bewaffnete Einheiten fühlen sich offenbar nicht an die Feuerpause gebunden: Die russischen Luftangriffe in der nördlichen Provinz Aleppo gehen einfach weiter. Die libanesische Hisbollah-Miliz riegelt weiter die Orte Madaya und Zabadani ab, in denen im Winter Menschen verhungert sind und die auch jetzt noch nicht mit Hilfsgütern versorgt werden. Ob die Shabiha, eine gefürchtete regimetreue Miliz, die Checkpoints errichtet und dort Menschen erpresst und erniedrigt, sich an den dreitägigen Frieden hält, ist ebenfalls unwahrscheinlich. Es stellt sich die Frage, ob das Assad-Regime überhaupt noch die Kontrolle darüber hat, wo in Syrien welche militärischen Mittel zum Einsatz kommen.
Dass diese Feuerpause nicht viel wert ist zeigt auch die Tatsache, dass es diesmal – anders als während der international ausgehandelten Feuerpause im Februar – nicht wieder massenhaft zu Demonstrationen in ganz Syrien kommt. Damals nutzten die Menschen die relative Ruhe, um gegen die Assad-Diktatur und dschihadistische Rebellen zu demonstrieren, wie sie es seit März 2011 getan hatten. Doch obwohl längst mehrere Rebellengruppen erklärt haben, dass sie ebenfalls die Waffen schweigen ließen, wenn die Armee das Feuer einstellt: Dieser Feuerpause trauen die Menschen nicht – und können es auch nicht.