Geldsegen für einen zerstrittenen Haufen – Von Ulrike Putz
02.04.2012
AP – Kämpfer der Freien Syrischen Armee: Wem kommt der angekündigte Geldsegen zu Gute?
100 Millionen Dollar wollen die Golfstaaten den Kämpfern gegen das Assad-Regime zur Verfügung stellen: Doch wer soll die Finanzspritze bekommen? Gleich mehrere Gruppen beanspruchen, für das syrische Volk zu sprechen. Die Aussicht auf den Geldsegen dürfte ihren Kampf um den Führungsanspruch verschärfen.
Auch wenn es so deutlich nicht gesagt wurde: Die internationale Gemeinschaft scheint sich entschlossen zu haben, die syrische Opposition zu bewaffnen oder zumindest mit militärisch nutzbarem Material auszustatten.
Beim Treffen der sogenannten Freunde Syriens und Vertretern der Opposition am Sonntag in Istanbul wurde bekannt, dass mehrere Golfstaaten den Aufständischen 100 Millionen Dollar für die Unterstützung des bewaffneten Kampfs gegen das Regime Baschar al-Assads in Aussicht gestellt haben. Das Geld soll dazu genutzt werden, die Rebellen der aus Freiwilligen und Deserteuren bestehenden Freien Syrischen Armee FSA zu bezahlen. Nach Angaben eines Mitglieds des Syrischen Nationalrats SNC, Molham al-Drobi, sollen die Golfstaaten, allen voran Katar, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate, erste Raten bereits gezahlt haben. Allein in der vergangenen Woche sei eine halbe Million Dollar an die Opposition geflossen.
Doch das Geld geht nicht direkt an die Freie Syrische Armee, sondern zunächst an den Nationalrat. Es ist davon auszugehen, dass das Geld auch nicht nur für den Sold der Kämpfer ausgegeben wird, sondern auch auf dem Waffen-Schwarzmarkt in Nahost. Insofern ist die Finanzhilfe der Golfstaaten auch ein aktives Einschalten in den Konflikt in Syrien.
Wem kommt der Geldsegen für die Gegner von Diktator Baschar al-Assad also tatsächlich zugute? Westliche Diplomaten äußerten am Rande des Treffens in der Türkei ihre Skepsis: Die Opposition sei so zerstritten, dass kaum noch auszumachen sei, wer tatsächlich die Interessen der Demonstranten und Kämpfer in der Heimat repräsentiert. Unklar ist auch, mit welchem Staatsmodell Assads Regime abgelöst werden soll.
Das wachsende Misstrauen gegenüber den syrischen Exil-Politikern wird auch in der Abschlusserklärung der « Freunde Syriens » deutlich: Die Vertreter der 83 in Istanbul zusammengekommenen Staaten und Organisationen vermieden es, den Syrischen Nationalrat SNC zum alleinigen Vertreter der Aufständischen zu ernennen.
Kritik am SNC gibt es schon seit seiner Gründung im August vergangenen Jahres. Denn von Anfang an waren die Gruppierungen in diesem Gremium zerstritten. Seitdem sind die Differenzen zwischen den Exil-Syrern noch größer geworden. Vor der Konferenz der « Freunde Syriens » hatte sich die Opposition auf Drängen ihrer ausländischen Gönner zwar auf ein gemeinsames Papier geeinigt. Doch eine große Fraktion von Unzufriedenen hatte ihre Unterschrift mit der Bedingung verknüpft, dass der SNC sich innerhalb von drei Wochen neu zu organisieren habe: Der aus 300 Mitgliedern bestehende Rat müsse sich eine neue Satzung geben und die Spitzenpositionen neu besetzen, fordern die Kritiker, die sich am Wochenende zu einer Gruppe namens Syrische Nationalkonferenz zusammenschlossen.
« Der Rat wird von einer einzigen Gruppe dominiert »
Die Opposition innerhalb der Opposition besteht aus etwa 100 Vertretern linker und säkularer Gruppen sowie kurdischen Parteien. Den Kurden ist der SNC zu arabisch. Sie fürchten, dass die gut 1,5 Millionen Kurden in Syrien nach dem Sturz Assads marginalisiert werden könnten.
Anderen Oppositionellen, vor allem auch Vertretern der säkularen syrischen Jugend, stehen die SNC-Anführer dem syrischen Arm der Muslimbruderschaft zu nahe. « Der Rat wird von einer einzigen Gruppe dominiert », sagt Marah Bukai, die im SNC für Medienarbeit und Kommunikation zuständig ist. Auch das widerspreche dem nationalen Charakter Syriens als Land, in dem vielfältige religiöse Gruppen und Ethnien zusammenlebten. Zudem sei unklar, welches Gesellschaftsmodell die Muslimbrüder befürworteten.
Problematisch sei auch die Arroganz der Männer an der Spitze des Rats, war am Wochenende wiederholt in Istanbul zu hören. Die Führung kungele hinter verschlossenen Türen. « Es gibt überhaupt keine Transparenz, es gibt kein Instrument, die Männer an der Spitze zur Verantwortung zu ziehen », sagt Bukai. Selbst sie, die doch die Beschlüsse des SNC gegenüber Medien aus aller Welt erläutern solle, wisse oft nicht, was die Spitze entschieden hätten. « Das muss sich ändern. »
Angesichts des in Aussicht gestellten Geldsegens dürfte sich der Streit unter den Dissidenten nun noch weiter verschärfen. Schon jetzt kritisieren die vom SNC Enttäuschten den Ratsvorsitzenden Burhan Ghaliun massiv. « Er ist ein Kontrollfreak und eigensüchtig. Er führt den Rat, als sei er eine Diktatur. Er ist genau wie Assad », schimpft Luai al-Mukdad, ein syrischer Nachwuchspolitiker und Mitgründer der Nationalkonferenz. Wenn sich das nicht grundlegend ändere, würden die Abweichler eine Gegenorganisation gründen. Aber wer soll dann die Hilfsgelder aus dem Ausland verwalten? « Das fechten wir dann aus », kündigt Mukdad an.
Während Syriens Opposition im sicheren Exil ihre Machtkämpfe austrägt, verschlechtert sich die Lage in der Heimat stündlich: « Wenn sich die Opposition nicht endlich zusammenrauft, kann Assad nur gewinnen », prophezeit ein Mitglied einer westlichen Delegation in Istanbul.
Source: http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,825230,00.html