Liveblog: Stimmen aus Syrien

Article  •  Publié sur Souria Houria le 3 septembre 2013

Am frühen Morgen des 21. August ist es in den westlichen und östlichen Vororten von Damaskus zu Angriffen mit hunderten Todesopfern gekommen. Es verdichten sich die Hinweise, dass chemische Kampfstoffe in großem Maßstab eingesetzt wurden. UN-Chemiewaffenexperten sind in der Stadt, werden aber derzeit nicht in die betroffenen Orte vorgelassen. In unserem Liveblog verfolgen wir die Ereignisse und sammeln Stimmen von AktivistInnen aus Syrien. (Falls sich nichts an der Seite länger verändert hat, bitte versuchen, neu zu laden.)

Nach mehreren Tagen der intensiven Pflege des Liveblogs sind wir an die Grenzen unserer Kapazitäten gestoßen. Wir werden daher in den kommenden Tagen etwas weniger intensiv an der Aktualisierung arbeiten. Wir bitten um Ihr Verständnis.

+++ 18:50 Uhr +++

Sonntag, 1. September: Zusammenfassung der LCCs 

Am Sonntag haben die LCCs in ganz Syrien 118 Opfer gezählt, unter ihnen 13 Kinder und 6 Frauen. Unter Folter verstarben 3 Opfer. Der Großteil der Toten wurde erneut im Großraum Damaskus sowie der Provinz Idlib erfasst. An 413 Orten kam es zu Beschuss durch schwere Waffen: allein an 34 Orten durch Militärflugzeuge, an 142 Orten durch Artillerie sowie an 119 Punkten durch Granaten. Mörserbeschuss kam an 111 Orten zum Einsatz. Explosive Fässer wurden in der Provinz Idlib eingesetzt sowie Boden-zu-Boden-Raketen in Homs und einigen Vororten von Damaskus. Zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Regime und FSA kam es an 162 Orten im Land.

+++ 18:30 Uhr +++

Statement der LCCs zu einem möglichen amerikanischen Militärschlag

Gestern hat das AktivistInnen-Netzwerk der LCCs ein Statement über einen möglichen US-Militärschlag gegen Syrien herausgegeben. Darin wird betont, dass die SyrerInnen lange keinesfalls den Wunsch nach ausländischer militärischer Intervention hegten. Doch mittlerweile hat sich das Blatt in Syrien gedreht – der Krieg hat die Menschen mürbe gemacht.

Die LCCs lehnen einen Militärschlag jedoch in der Form ab, wie er in Washington derzeit geplant wird: als bloße Bestrafung des Regimes für das Überschreiten der “Roten Linie”. Das westliche Interesse liege offensichtlich nur in Machtkalkülen und nicht darin, dem syrischen Volk entschieden zu helfen. Ein Militärschlag im Sinne eines Schusses vor den Bug – kein weiterer Einsatz von Chemiewaffen werde toleriert – werde jedoch nur Assads Brutalität anheizen. Ferner werde ihm das Gefühl vermittelt, dass seiner “konventionellen” Gewaltmaschinerie niemand in der internationalen Gemeinschaft ein Ende bereiten wird. Der gewaltsame Konflikt in Syrien könne so nicht gestoppt werden. Um die staatliche Gewalt in Syrien zu beenden, müssten gezielt die Luftwaffe und die Artilleriestützpunkte unschädlich gemacht werden. Ein Militärschlag müsse aber die Sicherheit der Zivilisten als Hauptaugenmerk haben. Die LCCs empfinden die bisherige internationale Reaktion auf den Chemiewaffenangriff als schwach.

+++ 2. September, 17:30 Uhr +++

Damaskus: Meinung eines FSA-Kämpfers über einen möglichen Militärschlag

In den letzten Tagen haben wir intensiv mit AktivistInnen im ganzen Land gesprochen und auch persönliche Kontakte in Syrien nach ihren Meinungen gefragt. Zwar haben mittlerweile auch einige AktivistInnen das Land verlassen, jedoch halten sie stets engen Kontakt nach Syrien. Über solch einen persönlichen Kontakt hat uns auch die Meinung eines FSA-Kämpfers aus Damaskus erreicht. Er ist Mitglied einer Brigade, die in den umkämpften südlichen Vororten von Damaskus kämpft. Der FSA-Kämpfer M. würde einen Militärschlag gegen Syrien begrüßen – er möchte ein Ende des Krieges und ein Ende des Regimes. In seinen Augen kann ein fremdes militärisches Eingreifen nicht schlimmer sein als das, was das syrische Regime in den letzten zweieinhalb Jahren gegenüber seinem Volk verübt hat. Der Chemiewaffenangriff ist da nur der letzte Punkt einer langen Kette von Verbrechen, auch gegen Frauen, Alte und Kinder. M. möchte die Rückkehr in ein normales Leben – für sich wie für Syrien.

+++ 22:30 Uhr +++

Lokale Berichterstattung aus Daraya: Enab Baladi, Ausgabe 80

Seit Beginn der syrischen Revolution hat sich vor allem im Feld der Medien viel getan. Nachdem wir Ihnen heute im Liveblog schon in Kurzfassung das Magazin “Sendian” vorgestellt haben, präsentieren wir nun die neue Ausgabe der “Enab Baladi” – hier zumindest das Cover. Die “lokale Traube” erscheint seit Anfang 2012 wöchentlich in Daraya; heute ist die 80. Ausgabe erschienen, auch als PDF. Daraya ist ein westlicher Vorort von Damaskus und liegt nahe der vom Chemieangriff betroffenen Gebiete. Letzte Woche hat die taz ein Interview mit einer “Enab Baladi”-Redakteurin veröffentlicht, vermittelt von AaR. Die aktuelle Ausgabe dreht sich natürlich auch zentral um die Vorgänge, die weltpolitisch bewegen: die erfolgte Untersuchung durch UN-Inspekteure und die Vorbereitungen eines möglichen US-Angriffs auf Syrien. Die Zeitung berichtet dabei äußerst aktuell, auch über Obamas gestrige Erklärung, den amerikanischen Kongress miteinzubeziehen. Doch auch andere Themen finden sich in der 80. Ausgabe: Berichte über die Repression des Regimes in der Region Idlib sowie dem Großraum Damaskus und die Fluchtbewegung der syrischen Kurden gen Irak. Zudem kommen Berichte über den schwunghaften Handel mit Passdokumenten von Seiten der Regierungsangestellten und Einzelheiten über die wirtschaftliche Situation samt steigenden Preisen in Syrien. Ein Lexikon erläutert den Begriff “Oligarchie”; ein ehemaliger Regime-Gefangener berichtet über die Haft im Militärflughafen Mezzeh – der nur wenige Kilometer von Daraya entfernt liegt. Erfreuliche Nachrichten gibt es auch: In Ost-Ghouta konnten Schüler die Prüfungen für die 9. und 12. Klasse ablegen und somit einen Abschluss erwerben. Wie “Enab Baladi” schreibt: “Ein Schritt zurück ins Leben.”

+++ 15:30 Uhr +++

Bemühungen um Syrien dürfen nicht nachlassen

Ein Aktivist, der an der türkisch-syrischen Grenze arbeitet, um Flüchtlingen im Land zu helfen appelliert, dass die Bemühungen um Syrien jetzt nicht nachlassen dürfen. “Obama will jetzt nicht kriegerisch handeln, was ich gut finde. Aber das darf nicht dazu führen, dass Syrien in den nächsten Tagen von der politischen Agenda verschwindet. Wir brauchen weiterhin Medikamente, Lebensmittel, Zelte. Die humanitäre Krise geht weiter, das Töten geht weiter. Das darf jetzt nicht vergessen werden!”

+++ 13:30 Uhr +++

Oppositionelles Magazin “Sendian” thematisiert Chemiewaffenangriff

Das syrische Oppositionsmagazin “Sendian” (dt.: Eiche) erscheint seit Sommer 2012 monatlich. “Sendian” wird an der syrischen Küste herausgegeben, wo noch immer das syrische Regime die Kontrolle ausübt. Die ab heute Abend als PDF verfügbare Septemberausgabe wird bereits mit dem Cover auf Facebook beworben – darauf zu sehen ist ein Mädchen in Gasmaske, das an einer weißen Rose schnuppert. Eines der großen Themen der neuen “Sendian” wird demnach der Chemiewaffeneinsatz bei Damaskus sein. Weiterhin sind diese Themen angekündigt: ein Bericht über die Auseinandersetzungen & “Befreiungsversuche” an der syrischen Küste, ein Interview mit der zivilen Initiative “Ayyam al-Hurriya” (dt.: Tage der Freiheit) sowie ein Bericht über den Exodus der syrischen Kurden gen Irakisch-Kurdistan. Außerdem soll auch die Lage in Ägypten thematisiert werden. “Sendian” berichtet stets ausführlich über Schwerpunktthemen, jede Ausgabe hat einen Umfang von ca. 30 Seiten.

+++ 1. September, 13:00 Uhr +++

LCC-Zusammenfassung des Samstags

Das AktivistInnen-Netzwerk LCC hat für den gestrigen Samstag, 31.08., 39 Todesfälle dokumentiert, darunter drei Frauen und zehn Kinder. Eine Person starb unter Folter. Die meisten Todesfälle wurden im Umland von Damaskus registriert (13), gefolgt von Aleppo (8), Daraa und Idlib (jeweils 7). Weitere Tote gab es in Homs und Deir ez-Zor. Mit 39 Opfern hat der gestrige Tag für syrische Verhältnisse “wenige” Tote gefordert. Allerdings kam es immer noch an 386 Orten zu Beschuss durch Militärjets, Artillerie, Raketen und Mörser.

+++ 17:30 Uhr +++

AktivistInnen verbreiten Vorsichtsmaßnahmen

Ein Aktivist aus Qudssaya berichtet, dass das lokale Komitee versucht, Verhaltensregeln- und Vorsichtsmaßnahmen zu verbreiten. Sie haben Flugblätter gedruckt und verteilt, die für den Fall eines Angriffs auf die syrische Armee eingehalten werden sollen. In Qudssaya gibt es auch einen militärischen Forschungskomplex, an dem Chemiewaffen entwickelt werden könnten, wie der Aktivist berichtet. Zu den Verhaltensregeln gehört etwa, zu Hause zu bleiben, sich eher in tiefergelegenen Stockwerken und abseits von Fenstern aufzuhalten, wenn Explosionen zu hören sind, wichtige Dokumente und Wertsachen an einem Ort zu sammeln, so dass sie schnell mitgenommen werden können, Batterien für Radios zu kaufen und keine Gerüchte zu streuen.

+++ 16:10 Uhr +++

Syrische Nachrichtenagentur SANA hat Ausgehempfehlungen

Die staatliche syrische Nachrichtenagentur SANA hat für heute Abend ein paar Vorschläge verbreitet, wo Menschen in Damaskus ausgehen könnten. Ein Aktivist aus Damaskus erzählt, dazu gehören eine Poolparty im Gemini Club, eine Karaokeparty in der Nawa Gallerie, Live-Musik im Restaurant Liwan und ein Wohltätigkeitsbasar im Sham City Einkaufszentrum. Verrückte Welt!

+++ 13:40 Uhr +++

Ein Angriff direkt auf Assad

In Menbej in der Provinz Aleppo versuchen AktivistInnen vor allem, den radikalen Islamisten das Wasser abzugraben, indem sie mit Jugendlichen arbeiten. Diese sollen nicht in Versuchung kommen, zu den Radikalen zu gehen. Obwohl der Fokus ihrer Arbeit schon lange nicht mehr das Assad-Regime ist, meint ein Aktivist, dass ein Angriff direkt auf den Diktator Bashar al Assad der syrischen Oppositionsbewegung am meisten helfen würde. “Wenn es wirklich einen kurzen Angriff auf einige Stellungen geben sollte, dann bringt uns das nicht viel. Dieser Diktator muss einfach weg – und alles was das erreicht, hilft!”

+++ 10:20 Uhr +++

Ein Aktivist, der am Aufbau des oppositionellen Studierenden-Netzwerks UFSS beteiligt war, weist darauf hin, dass viele der AktivistInnen, die zu Beginn der Revolution mit unbewaffneten Mitteln aktiv geworden sind, noch immer im Gefängnis sitzen. Er berichtet von Jagarkhwin Mella Ahmad, der seit März 2012 im Zentralgefängnis von Aleppo sitzt. Er war ebenfalls einer der Gründer der Studentenunion. Ein letztes Lebenszeichen erhielt seine Familie vor zehn Tagen, als er berichtet, dass die tausenden Gefangenen jeden Tag etwa 100 Gramm Lebensmittel bekommen. Das Gefängnis ist von bewaffneten Aufständischen umstellt, aber immer wenn es zum Angriff auf das Gefängnis kommt, werden Gefangene getötet oder von hoch oben aus den Fenstern geworfen.
Weiter berichtet er von Mazem Darwish, dem ehemaligen Leiter des Damaszener Zentrums für Demokratie und Menschenrechte, der Anfang 2012 festgenommen wurde. Er ist einer der Gründer des Aktivisten-Netzwerks LCC. Sein Aufenthaltsort ist genauso unbekannt wie der des Menschenrechtsanwalts Khalil Matouq, der jahrelang zahlreiche Regimekritiker vor Gericht vertreten hatte.

+++ 31. August, 1:30 Uhr +++

Tagesupdate der Aktivistennetzwerke

Hier ein knappes Update der Ereignisse des 30. August in Syrien des Aktivistennetzwerks LCC: 72 Menschen sind in Folge des Konflikts ums Leben gekommen, davon vier Frauen und neun Kinder. Zwei Menschen sind unter Folter gestorben. Schwere Waffen wurden an 373 Orten eingesetzt, an 28 davon Kampfflugzeuge. Kämpfe zwischen bewaffneten Aufständischen und der Armee des Regimes fanden an 143 Orten statt.

+++ 20:30 Uhr +++

Intern: Körperliche Erschöpfung und Krankheit

Die Ereignisse in Syrien der letzten neun Tagen haben ordentlich an den Nerven des zu größten Teil ehrenamlichen Adopt a Revolution-Teams gezerrt. Alle sind übernächtigt, einige gesundheitlich angeschlagen. Deshalb versuchen wir, etwas Ruhe zu finden und lassen den Liveblog etwas ruhiger laufen, damit wir wieder intensiv loslegen können mit Informationen aus Syrien, wenn es tatsächlich zu Militärschlägen gegen das Assad-Regime kommt. Wir hoffen auf Ihr Verständnis.

+++ 19:40 Uhr +++

Tägliche Todesbilanz in Syrien

Bis Sonnenuntergang wurden von unserem Partnernetzwerk LCC in Syrien 45 Opfer des Konflikts gezählt, darunter vier Kinder und ein Mensch, der unter Folter starb. 15 Menschen kamen in der Provinz Damaskus ums Leben, elf in Idlib, neun in Hama, fünf in Aleppo, drei in Daraa und zwei in Homs. Im kurdisch geprägten Nordosten sowie im Osten des Landes sind bisher keine Todesopfer zu verzeichnen.

+++ 18:50 Uhr +++

Pro-Assad-Demonstration an der Universität in Hama?

Regime-Milizen sammelten heute Studierende aus den Wohnheimen auf dem Campus und zwangen sie, Pro-Assad-Slogans zu rufen. Die Versammlung wurde gefilmt und als spontane Unterstützung für den Präsidenten kommuniziert, wie ein Aktivist des Studenten-Netzwerks UFSS berichtet. Später wurden Studierende aus zwei weiteren Wohnheimen vertrieben und in kleineren Heimen untergebracht. In einem der leeren Gebäude wurden anschließend Soldaten mit ihren Waffen untergebracht, im anderen alawitische Familien.

+++ 18:20 Uhr +++

Keine besonderen Vorbereitungen in den östlichen Vororten von Damaskus

Ein Aktivist aus Ost-Ghouta berichtet, dass in den Vorstädten keine besonderen Vorkehrungen für einen möglichen Militärschlag gegen das Assad-Regime getroffen werden. Weder hätten viele Menschen versucht, die Vorstadt zu verlassen – was angesichts der Abriegelung durch das syrische Militär auch schwierig wäre -, noch horten die Familien Lebensmitteln. In mehreren Orten wurden inzwischen ohnehin längst Gemeinschaftsküchen eingerichtet, die für eine große Zahl von Familien Essen vorbereiten.

+++ 16:40 Uhr +++

Aktivisten in Dael fürchten Assads Reaktion auf eine schwache Intervention

Im befreiten Dael fürchten AktivistInnen eine schwache internationale Intervention. “Hör zu, Obama, eine schwache Aktion gegen Assad wird die Brutalität des Regimes nur steigern.”

dael_obama

+++ 16:30 Uhr +++

Alternativer Ticker im Fall von Militärschlägen

Im Adopt a Revolution-Team bereiten wir derzeit intensiv einen alternativen Ticker vor, der Stimmen von Menschen im Land sammeln und wiedergeben soll. Die Nachrichten werden sich wohl auf den Raum Damaskus konzentrieren, so dass wir versuchen wollen, Stimmen auch aus allen anderen Landesteilen auszuwerten. Viele der AktivistInnen, mit denen wir sprechen, sind Mitglieder der Basiskomitees. Wir versuchen sie dabei zu unterstützen, ihre Kommunikationskosten zu finanzieren, so dass Eindrücke auch aus entlegenen Regionen wahrgenommen werden. Unterstützen Sie diese zivilgesellschaftliche Arbeit in Syrien!

Zivilgesellschaft unterstützen!

+++ 16:10 Uhr +++

Freitagsproteste: Erbin feiert gegen die Diktatur

In Erbin, einem der Vororte ganz in der Nähe der Chemiewaffen-Einsätze von letzter Woche, gehen die Menschen am heutigen Freitag ebenfalls auf die Straße. Trotz der schrecklichen Ereignisse nur wenige Minuten von ihnen entfernt, tragen sie ihre oppositionelle Meinung noch immer beinahe feiernd auf die Straßen.

Ein Medienaktivist berichtet davon, dass die Zahl der Demonstrationen an diesem Freitag wieder deutlich höher zu sein scheint, als in den Wochen zuvor. Genaue Zahlen wird es wohl aber erst morgen geben.

+++ 15:00 Uhr +++

Freitagsproteste: Kafranbel ist wieder da

Sie sind berühmt für die syrische Revolution, weil sie die politische Meinung der SyrerInnen immer sehr gut auf den Punkt bringen: Die Bilder, Plakate und Slogans aus Kafranbel. Für einige Wochen vielen die Bilder weg, weil es internen Streit gab. Heute bringen die AktivistInnen vor Ort wieder die Meinung vieler Menschen in Land auf den Punkt – und fordern ein militärisches Eingreifen der USA. Bedingungen dafür hat etwa eine Redakteurin der oppositionellen Zeitung Enab Baladi in einem Interview mit der Tageszeitung taz formuliert.

kafranbel_angriff

+++ 14:40 Uhr +++

Assad stoppen – trotz Angst vor weiteren Opfern

Ziad, ein kommunistischer Aktivist aus Damaskus beschreibt seine zwiespältige Haltung gegenüber einem möglichen Angriff von außen auf Syrien: “Ich unterstütze einen Angriff, weil Assad nach über 100.000 Toten endlich gestoppt werden muss. Doch wenn die Bomben fliegen, habe ich Angst um meine Freunde. Viele werden im Gefängnis auf dem Militärflughafen in Mazzeh festgehalten. Sie könnten bombardiert oder direkt vom Regime umgebracht werden.”

+++ 13:10 Uhr +++

Die Dschihadisten sind stark, wenn das Regime stark ist

“Als Kurden werden wir zwar eher von Dschihadisten bedroht, als vom Regime”, berichtet der Student Sipan aus dem kurdischen Qamishli. “Aber die Stärke der radikalen Islamiten hängt an der vom Regime: Nur wenn Assad stark ist, unterstützen die Menschen die Gotteskrieger. Zudem ist die wirtschaftliche Lage inzwischen so katastrophal, dass endlich etwas passieren muss. Die Menschen hungern und leiden unter der Mangelwirtschaft.”

+++ 10:40 Uhr +++

Rache des Regimes würde die Falschen treffen

“Nach einer friedlichen Lösung sieht es in Syrien schon lange nicht mehr aus. Ein Militärschlag ist besser, als dass es einfach so weitergeht. Aber ich habe trotzdem Angst, dass sich das Assad-Regime für den Angriff an der Zivilbevölkerung rächen wird und noch brutaler wird. Hama ist von der Armee dominiert, wir wären dann wohl erstes betroffen”, berichtet Emad aus Hama. Hama war 1982 Schauplatz eines massiven Angriffs der syrischen Armee auf die Zivilbevölkerung, nachdem Muslimbrüder dort einen Aufstand versucht hatten. Dabei kamen Schätzungen zufolge zwischen 20.000 und 30.000 Menschen ums Leben.

+++ 30. August, 2:00 Uhr +++

Zusammenfassung der Kämpfe des Tages

Etwas geringer fällt die Zahl der Toten aus, die unser Partner-Netzwerk der LCC heute als Tagesbilanz aus Syrien berichtet. 70 Menschen sind landesweit ums Leben gekommen, darunter neun Frauen und acht Kinder. Mit 28 kamen die meisten von ihnen in der ländlichen Provinz Idlib im Nordwesten ums Leben, wo seit einigen Tagen heftige Kämpfe um die Stadt Ariha toben. 17 Tote wurden in Damaskus und den Vororten gezählt, wo heute auch wieder die UN-Chemiewaffenexperten Proben genommen haben. Artilleriebeschuss wurde an 386 Orten gezählt, Luftangriffe an 18 Orten, sowie vier Orte, an denen explodierende Fässer abgeworfen wurden. In Damaskus ist ein Brigade General der Armee bei den Kämpfen getötet worden.

+++ 23:20 Uhr +++

Angriff auf syrischen Aktivisten in der Türkei

Faiz, ein Aktivist aus dem Komitee in Menbej, berichtet von seinen Erlebnissen am Grenzübergang zur Türkei. Er war dort, um Geld für die Arbeit mit Jugendlichen abzuholen, dass diese nicht von radikalen Islamisten umworben werden:

“Als ich an der Grenze stand, wollten die türkischen Soldaten wissen, was ich in der Türkei gemacht habe. Ich wollte nicht vom Geld erzählen, also sagte ich, ich hätte Verwandte getroffen. Das glaubten sie mir aber nicht, sondern begannen, mich auf türkisch zu beschimpfen und handgreiflich zu werden. Dabei schlugen sie mir mein Telefon aus der Hand und traten drauf – es ist jetzt Schrott. Selbst bekam ich ein paar Faustschläge und Tritte ab, haben jetzt ein geschwollenes Auge und viele blaue Flecken. Sie hielten mich fest und kontrollierten meinen Rechner, den ich dabei hatte. Alles änderte sich, als ein Zöllner Videos von mir sah, wie ich Al Jazeera ein Interview gebe. Nachdem sie bemerkt hatten, dass ich Aktivist bin, haben sie mich freigelassen – und sich bei mir entschuldigt. Ein neues Telefon haben sie mir aber trotzdem nicht gegeben.”

+++ 18:00 Uhr +++

Befürchtungen über das Schicksal von Häftlingen

Im Angesicht der möglichen Militärschläge auf Syrien – die vermutlich binnen Tagen eintreten werden – gibt es Befürchtungen, dass das Regime die Zehntausenden von Häftlingen in militärischen Einrichtungen, regulären Gefängnissen und Sicherheitszentren als menschliche Schutzschilde einsetzen könnte. So gebe es allein im Militärflughafen von Mezzeh ca. 10.000 Häftlinge. Dieser Flughafen liegt am Westrand von Damaskus und gilt als mögliches Ziel eines Militärschlages.

+++ 17:40 Uhr +++

Unterstützen Sie die Arbeit der zivilen Komitees

Es waren die AktivistInnen des lokalen Komitees aus Erbin, die am Mittwoch letzter Woche in den frühen Morgenstunden zum Orte der Chemiewaffenangriffe geeilt sind. Sie bargen Tote, versorgten Verletzte und dokumentierten mit ihren Kameras und Mobiltelefonen die schreckliche Szenerie.

Jetzt PatIn werden!

+++ 17:20 Uhr +++

Berichte über Desertierungen

Es gibt Berichte, dass im Militärflughafen Tabqa schwere Kämpfe stattfinden. Dort soll eine größere Anzahl Soldaten desertiert sein, zudem auch zwei Piloten samt Hubschraubern. Aber auch aus Beirut kommen Nachrichten über Desertierungen. Wie mehrere Quellen berichten, sollen am Flughafen Beirut einige hochrangige zivile wie militärische Angestellte samt Familien angekommen sein, um aus der Region auszureisen. Dies bestätigen wohl auch Quellen direkt im Flughafen von Beirut.

+++ 16:30 Uhr +++

taz-Interview mit der syrischen Oppositionszeitung “Enab Baladi”

Die taz hat heute ein Interview mit Asma, einer Redakteurin von “Enab Baladi” veröffentlicht. “Enab Baladi” ist eine lokale Oppositionszeitung aus dem Damaszener Vorort Daraya und wird seit 2012 wöchentlich herausgegeben. Die taz hat Asma zur aktuellen Lage in Daraya und dem bevorstehenden Militärschlag interviewt. Natürlich auch nicht unerwähnt bleibt die Arbeit von “Enab Baladi”. Was die taz leider nicht erwähnt: Adopt a Revolution hat das Interview an die taz vermittelt – und auch zeitweilig die Arbeit von “Enab Baladi” finanziell unterstützt.

+++ 16:00 Uhr +++

Aufräumen in Raqqa

Trotz des Chemiewaffenangriffs und den Spekulationen über einen baldigen Militärschlag des Westens geht der Alltag in Syrien weiterhin seinen Gang. Einwohner von Raqqa, der Provinzhauptstadt im Nordosten des Landes, fegen die Straßen. Solche Aufräumauktionen finden regelmäßig in den befreiten Gebieten statt.

+++ 15:10 Uhr +++

Dokumentation des UN-Besuchs in Zamalka

Lokale AktivistInnen aus Ghouta haben den heutigen Besuch der UN-Inspektoren in Zamalka ausführlich per Video dokumentiert. Dieses Video zeigt einen lokalen Aktivisten, der den Vorgang der Untersuchung in Zamalka erklärt. Die UN-Inspektoren haben Proben aus mehreren Stellen entnommen, v.a. aus Wohngebieten, die den Chemiewaffen ausgesetzt waren. Sie haben auch Patienten besucht, die beim Angriff letzte Woche verletzt wurden. Der Aktivist betont, die Inspektoren hätten sehr viele Proben entnommen. Die Hoffnung der AktivistInnen liegt ganz klar auf den Untersuchungen der UN, der Aktivist schließt: “Wir warten sehnsüchtig auf die Ergebnisse der Untersuchung.”

Wie die Inspektoren ihre Arbeit verrichten, kann man sich in diesem Video kurz anschauen. Die Inspektoren sind dabei in voller Montur, inklusive Gasmasken.

+++ 14:40 Uhr +++

Stimmen aus dem Raum Aleppo: Hoffnung und Verzweiflung

Aus dem Raum Aleppo haben wir mit zwei Aktivisten gesprochen, darunter einem Arzt aus direkt aus der Stadt Aleppo. Dieser äußert sich zuversichtlich über den Militärschlag, da er darin den Anfang vom Ende für das Regime ausmacht. Zwar werde der Militärschlag Assad nicht stürzen – jedoch aber sosehr schwächen, dass die FSA anschließend die Kontrolle über das Land übernehmen könne. Der Arzt nimmt an, dass die Militärschläge gezielt militärische Ziele unter Beschuss nehmen wird und somit wenig Zivilisten getötet werden.

Ein Aktivist aus Menbej bei Aleppo erwartet dagegen vom Leben und den Militärschlägen nichts mehr. Er will nur noch, dass die schreckliche Situation in Syrien sein Ende nimmt. Das Regime auf der einen Seite, die islamistischen Kämpfer auf der anderen – die Leute seien einfach mürbe.

+++ 14:20 Uhr +++

Ain Tarma: keine Angst vor ausländischem Militärschlag

Ein Aktivist aus Ain Tarma, in dem viele Opfer beim Chemiewaffenangriff zu beklagen waren, äußert keine Angst vor einem möglichen Militärschlag. Ganz im Gegenteil: Man begrüßt den Militärschlag in Ain Tarma, da der internationalen Gemeinschaft nach dem Angriff auf Ghouta keine andere Möglichkeit bleibe. Durch den Militärangriff erhoffen sich die Menschen eine Lösung aus der verfahrenen Situation in Syrien. Angst hätten die Menschen nicht mehr, zumindest nicht vor zivilen Toten durch den Militärschlag. Allerdings erwartet niemand, dass Assad infolge des Bombardements zurücktreten wird.

+++ 29. August, 10:30 Uhr +++

Töten in Syrien geht weiter

Wie unser Partner-Netzwerk aus Syrien berichtet, sind nach 104 Toten gestern, heute bereits wieder 20 Menschen ums Leben gekommen. Gestern wurden besonders viele Getötete aus der Provinz Aleppo gemeldet, wo 55 Leichen nach einem Massaker in Sfera entdeckt wurden. Ein Aktivist des Netzwerks kommentiert, dass nicht erst Angriffe von außen das Töten in das Land bringen werden. Er berichtet, dass alleine gestern an 173 Orten mit Raketen angegriffen wurde und an 148 Orten Artillerie-Beschuss dokumentiert wurde. Mörsergranaten schlugen an 131 Orten ein.

source : https://www.adoptrevolution.org/liveblog-damaskus/

date : 01/09/2013