Moralpolizei, Transitional Justice & das Internet – von Mohammed
Leen Ahmad berichtet auf damasbureau über die Moralpolizei des IS, welche seit der Eroberung von Raqqa ihr Unwesen treibt und Kontrolle ausübt. Ein tragisches Beispiel: Im letzten November verließ Bushra, Ehefrau und Mutter von drei Kindern, ihr Haus. Sie arbeitete als Lehrerin in einer Hauptschule und wurde – wie jeden Tag um 7 Uhr – von dem Fahrer Abu Saad und seinem Minibus abgeholt. Sie setzte sich zu den anderen Frauen in den überfüllten hinteren Teil, obwohl neben ihm einige Plätze freiblieben. Diese sind Männern vorbehalten, welche unterwegs zusteigen könnten. Ihr Mann reiste in die Türkei, um Arbeit zu finden und seine Familie zu ernähren, sodass sie sich um den gesamten Haushalt kümmerte. An jenem Morgen gelangten sie an einen Checkpoint des IS, was zu einem ängstlichen Schweigen unter den Passagieren führte, denn niemand wollte die Miliz verärgern. Die maskierten Männer inspizierten die Personalausweise und ließen Abu Saad weiterfahren, da mit den Papieren alles in Ordnung war. Er bot nach dem Passieren des Checkpoints Bushra an, nach vorne zu kommen, damit sich die Frauen nicht quetschen müssen. Kaum hatte sie vorne Platz genommen, hörten sie plötzlich jemanden auf einem Motorrad hinter ihnen, der lauthals zum Stoppen des Minibusses aufrief – die Wache vom Checkpoint war ihnen gefolgt und nicht erfreut darüber, dass nun eine Frau neben einem Mann saß. „Ist sie mit ihnen verwandt?“ war die einzige Frage, die gestellt wurde, ehe Abu Saad und Bushra zur Hisbah, der Moralpolizei, abgeführt wurden. Ihre Gedanken kreisten um die Furcht vor ihrem Mann und seiner Reaktion, wenn er davon erfahren würde. Im Zentrum der Hisbah angelangt, wurden sie einem 40-Jahre alten Geistlichen vorgestellt, der aus Saudi-Arabien nach Syrien kam. Dieser richtete über die Sünden im Machtbereich des IS und er wiederholte die Frage der Wache, „ist sie mit ihnen verwandt?“. Da Abu Saad verneinte, unterbrach ihn der Geistliche sofort und verurteilte ihn zu 40 Peitschenhieben, da es seiner Meinung nach eine Todsünde darstelle. Bushra erkannte, dass nun sie an der Reihe war und brach in Tränen aus. Der Geistliche verlangte die Telefonnummer ihres Mannes und aufgrund seiner Abwesenheit die ihres Vaters, welcher wenig später ängstlich und zitternd im Raum saß. Er wusste um die Gefahr einer Verurteilung und versuchte, Milde zu erreichen. Tatsächlich durfte Bushra gehen, da ihr Vater bereits die islamische Pilgerreise absolviert hatte – vor dem Zentrum begann dieser, zu weinen und umarmte seine Tochter, wie er es wahrscheinlich noch nie getan hat.
Aynur Mohammad berichtet auf ARAnews über einen Workshop, der von syrischen AktivistInnen in der nordöstlichen Stadt Hasakah im Ta’akhi Zentrum für Demokratie und Zivilgesellschaft abgehalten wurde. Unter der Aufsicht des Rechtsaktivisten Mohammed Abtan und mit Hilfe mehrerer lokaler Organisationen, darunter der kurdische Schriftstellerverband, der Frauen-Union Kurdistans sowie der Demokratischen Jugend konzentrierte sich dieses Event auf den Ausbau der Konzepte und Ideen bezüglich der Übergangsjustiz. Durch rechtliche und soziale Kommissionen sollen Menschen, die an Kriegsverbrechen beteiligt sind, besser verfolgt und die Reform der öffentlichen Institutionen beschleunigt werden. Die TeilnehmerInnen diskutierten über Ideen, wie man das Recht und spezialisierte Gerichte besser einrichten kann. Die syrische Gesellschaft benötigt dringend ein erhöhtes Bewusstsein für die Übergangsjustiz und der Unterscheidung zwischen dieser und Gerechtigkeit. Insbesondere in der Phase des Überganges von Krieg und Zerstörung zu Frieden, Sicherheit und Demokratie werden diese essentiellen Säulen ein Fundament darstellen.
Mohammed al-Khatieb berichtet auf Al-Monitor aus den befreiten Gebieten in Aleppo und dem verbesserten Zugang zu Internet. Dies mag ungewöhnlich erscheinen, wo doch angesichts des wütenden Konflikts fast sämtliche Kommunikationsmittel zum Erliegen gekommen sind und die Bevölkerung unter der Belagerung leidet. So verbreiten sich beispielsweise in al-Mashhad, einem der von der Opposition gehaltenen Viertel, W-LAN-Netzwerke sehr rasant. Ahmed, Inhaber eines Supermarktes, erklärt, wie wichtig der Zugang zum Internet in unserer heutigen Zeit geworden ist. Nur so lassen sich noch die täglichen Entwicklungen und Neuigkeiten in Syrien aus der umkämpften Stadt verfolgen, vor allem durch soziale Netzwerke wie Facebook und Twitter, aber auch WhatsApp. Es trägt einen erheblichen Anteil zur Kommunikation mit Freunden und Familie, welche fliehen mussten und meist im entfernten Ausland untergekommen ist. Für den Großteil der Bevölkerung sind die Tarife ertragbar, was zu ihrer Verbreitung beigetragen hat. Vor allem Anbieter aus der Türkei sind heiß begehrt, deren Reichweite den nördlichen Teil Syriens abdecken und stabil sind. Internationale Satelliten sind langsam und das DSL wurde vom syrischen Regime in den oppositionellen Gebieten gekappt, um die Kommunikation zu erschweren. Auch die staatlichen Anbieter sind nur noch in vom Regime kontrollierten Vierteln aktiv. Wer aber profitiert von dem Zugang? Vor allem oppositionelle Institutionen wie Kommunen, Hilfsorganisationen, Medienbüros und unabhängige Journalisten können nun ihrer Arbeit nachgehen. Im Oktober letzten Jahres wurde das Hawa Net-Projekt unter der Schirmherrschaft der syrischen Übergangsregierung ins Leben gerufen. Der Grund war die Visio, einen alternativen Internetzugang einzuführen, um abseits des Regimes aktiv zu werden. Mittlerweile gibt es Dutzende von ähnlichen Projekten, was sich positiv auf Investitionen und Konkurrenz untereinander auswirkt.
source : https://www.adoptrevolution.org/moralpolizei-transitional-justice-das-internet/
date : 03/05/2015